Aufzucht
1. Woche
Die erste Woche der Aufzucht war überschattet vom Tod unserer kleinen Devi. Sie hat in unsere Welt nur kurz reinschnuppern dürfen und verließ uns wieder am Neujahrstag.
Vielleicht war nach so viel geballtem Lebenswillen für ihre Geschwister einfach nicht mehr genug davon übrig für unser kleines Sorgenkind. Während die anderen bei ihrer Geburt lauthals auf sich aufmerksam machten, war von ihr nur ein leises Wimmern zu hören. Auch Trinken wollte sie nie so recht.
An Silvester telefonierte ich in der Nacht noch mit unserer Tierärztin und machte einen Termin am nächsten Tag aus.
Dann wurde Devi aber sehr unruhig und fing an, zu schreien. Ich nahm sie zu mir, legte sie auf meinen Bauch und erzählte ihr Geschichten von Papa und Mama. Sie wurde ganz ruhig und drückte sich an mich.
Als ich dann doch müde wurde, nahm ich sie mit mir ins Bett, immer weiter Geschichten erzählend. Als ich dann nach Stunden doch kurz eingeschlafen bin, war ihr Lebenswillen endgültig erloschen und sie starb eng an mich gekuschelt.
Irgendwie haben sich in diesen Stunden unsere Seelen berührt. Wenn sie überlebt hätte, wäre sie mit Sicherheit unser vierter Hund geworden, ich hätte sie auf keinen Fall abgeben können und auch nicht wollen.
(Genau aus den selben Gründen haben wir damals unseren Amos bei uns behalten . . .)
Die Frage nach dem “Warum” bleibt für uns unbeantwortet, auch wenn mir schon klar ist, dass die Natur nicht immer das Überleben für alle vorsieht. Diese Erkenntnis macht es für mich nicht erträglicher.
Die uns verbliebenen vier Babys strotzen dafür geradezu vor Gesundheit und nehmen täglich jeder über 100 Gramm zu. Sie wiegen jetzt eine Woche nach ihrer Geburt alle weit über ein Kilo. Lea verlässt die Wurfkiste nur für die nötigsten Besorgungen und auch dann nur unter sanftem Druck.
Vater Bino und Schwester Clio wären zwar schon interessiert am Familienzuwachs, aber Lea erlaubt ihnen nur einen Blick aus der Ferne.
2. Woche
Es ist immer wieder faszinierend, wie sich die Welpen in der zweiten Woche verändern.
Innerhalb von ein, höchstens zwei Tagen fangen sie an, ihre Umwelt wahr zu nehmen, Kontakt zu suchen und die ersten wackeligen Gehversuche zu unternehmen. Vor zwei Tagen noch lagen sie nur, ihr “Gerobbe” konnte man nicht direkt als Fortbewegung bezeichnen. Auf einmal entdecken sie, zu was Beine gut sind und bemühen sich redlich. Natürlich fallen sie immer wieder über sich selbst drüber und müssen sich dann erst wieder mühsam aufrappeln. Das ist schon putzig zum Zuschauen.
Inzwischen sind die Augen offen, die ersten Zahnspitzen sind zu spüren.
Wir haben ihnen die Krallen geschnitten, damit sie die unendlich geduldige Lea nicht noch mehr malträtieren.
Sie erkunden sich auch gegenseitig. Die ersten ungelenken Kämpfchen und Beissversuche bringen uns zum Lachen.
Wer braucht da noch einen Fernseher?
3. Woche
Nach den ersten Versuchen von Kontaktaufnahme gegenseitig und mit ihrer Umwelt letzte Woche werden die Aktivitäten nun sicherer.
Natürlich sind nun auch die Streitereien untereinander heftiger und vor allem lauter. Nachdem nun auch die Gehörgänge offen sind, reagieren unsere Welpen auf Geräusche aller Art. Es ist uns jetzt nicht mehr möglich, heimlich ins Zimmer zu schleichen. Sie reagieren auf jedes Türöffnen mit Mords-Geschrei.
Sie suchen aktiv Körperkontakt mit uns und klettern auf unseren Schoß,
wenn wir uns zu ihnen setzten. Die Zähnchen sind jetzt schon so lang, dass ihre Bisse in Nase und Ohren durchaus zu spüren sind. Auf Wehklagen unsererseits reagieren sie mit noch stärkerem Zubeißen. Sie haben doch auch schon Sinn für Humor.
Auch die Schmuseeinheiten werden länger und intensiver, vor allem Diablo und Donna sind richtige Schmusebacken.
Sie haben ihre erste Wurmkur bekommen und erfreulicherweise problemlos vertragen.
Mit dem Ende der dritten Lebenswoche ist nun auch unsere selbstgewählte Isolation beendet, ab sofort sind Besucher herzlich willkommen.
Lea findet allmählich in ihren normalen Lebensrhytmus zurück, sie nimmt inzwischen wieder aktiv am Tagesgeschehen teil. Sie liegt nicht mehr dauernd bei ihren Kindern, ist aber natürlich trotzdem bei jedem Schreien sehr besorgt. Sie ist einfach eine Traum-Mama.
4. Woche
In dieser Woche hat sich das Leben unserer Welpen radikal verändert.
Zuerst haben wir die Wurfkiste geöffnet, damit sich die Kinder an den glatten (Holz-)Boden gewöhnen.
Die ersten “Schritte” waren für alle eine Herausforderung, für die einen mehr, für die anderen weniger. Sie endeten nicht nur einmal mit einem “Bauchplatscher”, wenn einfach die Beine wegrutschten.
Nach 2 Tagen bewegten sich aber alle sicher auch auf Fliesenboden.
Damit war die Grundlage für den Umzug in das neue Welpenzimmer geschaffen, das ist unser ausgebauter Gewölbestall.
Alle vier genießen die neu gewonnene Bewegungsfreiheit. Speziell Diablo ist diese allerdings etwas zu Kopf gestiegen. Er quittiert jede Behinderung seines Bewegungsdrangs ( wie geschlossenen Türen ) mit ohrenbetäubendem Gebrüll im Wechsel mit Gejaule in der selben Lautstärke. Ohrenstöpsel wären da manchmal schon segensreich für uns.
Diablo soll ja nicht lernen, dass er nur laut und lange genug brüllen muss, um seinen Willen zu bekommen, deshalb reagieren wir nicht auf seinen Lärm.
Inzwischen füttern wir auch regelmäßig zu. Auch da versuchen wir, übermäßige Futtermäkeleien erzieherisch in den Griff zu bekommen.
Lea torpediert unsere Bemühungen aber etwas, weil sie ihre Welpen säugt, wenn sie das, was ihnen nicht schmeckt, einfach stehen lassen.
Da ist dann natürlich der Hunger nicht der beste Koch, weil er schon gar nicht aufkommt. Wir bemühen uns aber weiterhin redlich.
5. Woche
Auch in dieser Woche haben unsere Geisterkinder wieder viel Neues lernen müssen.
Nachdem uns eine liebe Züchterkollegin ihren Welpenzaun geliehen hat, war der erste Ausflug ins Freie möglich.
Da waren erneut die unterschiedlichen Charaktere deutlich sichtbar.
Donna und Dele konnten die neue Freiheit zuerst kaum genießen, waren dankbar für Lea’s Anwesenheit und zogen sich nach kurzer Zeit in die schützende Sicherheit ihrer Schlafhöhle zurück.
Diablo und Damon, der auf Wunsch seines zukünftigen Personals ab sofort Beppo heißen wird, erkundeten dagegen völlig unbeeindruckt ihren Welpenauslauf. Diablo entdeckte dabei seine große Schwester Clio für sich, die sich zum ersten Mal um die Welpen kümmern durfte (bis jetzt hat ihr Mama Lea das vor lauter Sorge um ihre Kinder nicht erlaubt).
Nach kurzem Beschnuppern spielten sie rührend miteinander und jagten zusammen durch den Tunnel. (Papa Bino schaut sich die ganze Sache nach wie vor lieber von außen an).
Beim zweiten Ausflug nach draußen wagten sich dann auch die beiden Mädels ins Bällebad und in den Tunnel.
Auch sie fordern inzwischen ihren Freigang äußerst energisch.
Wegen der großen Kälte dauern die Ausflüge jeweils nicht lange. Bei Höchsttemperaturen von -13 Grad möchte ich nicht, dass sie sich auf den eiskalten Boden legen. Sobald der Entdeckerdrang nachlässt, geht’s deshalb wieder in die warme Stube.
6. Woche
Allmählich sehen unsere Welpen aus wie richtige kleine Hovawarte, die Proportionen werden harmonischer. Bisher waren Vergleiche mit Nilpferden oder Bulldozern auf 4 Beinen nicht ganz abwegig . . .
In dieser Woche haben wir die ersten kleinen Autofahrten unternommen.
Mit Lea zusammen in einer Box war das Ganze nicht sooo schlimm, nur ab und zu war ein leises Jammern zu hören. Bei der zweiten Fahrt haben die blonden Buben schon ganz professionell geschlafen.
Danach sind aber immer alle total erledigt und verschwinden für Stunden in ihrer Schlafhöhle. Daran merken wir, dass sie doch viel in ihrem kleinen Kopf zu verarbeiten haben.
Wir haben ein paar Hindernisse zusammen gestellt. Kugelbrett, Balancierbrett, Hängebrücke und Schaukel sind sehr interessant und werden begeistert ausprobiert. Speziell auf dem Kugelbrett werden Kämpfe ausgefochten, das ist offensichtlich besonders lustig.
So üben sie beim Spielen ihre ganze Motorik und werden immer geschickter.
Inzwischen hatten alle Welpen Kontakt zu unserem behinderten Kater Franzl. Der liebt Hunde über alles und ist immer freundlich. Durch diese positiven Kontakte lernen sie, Katzen ohne Aggression zu begegnen.
Natürlich werden sie manchmal zu wild und wir müssen dann Franzl vor ihnen retten. Er kann sich selbst da nicht helfen.
7. Woche
Inzwischen schlafen unsere Welpen (leider) deutlich weniger, gefühlt sind sie fast rund um die Uhr aktiv.
Sie können sich zwar durchaus gut selbst beschäftigen (was meistens für die Halbwertszeit verschiedener Gegenstände nicht besonders förderlich ist), bevorzugen aber doch unsere Beteiligung. Wir kämpfen mit ihnen um Papiersäcke, Lederlappen, Knuddel und ähnliches. Besonders Dele setzt alles daran, zu gewinnen und wir lassen sie auch. Dieser Hund könnte uns in Versuchung führen, alle Vernunft zu vergessen . . .
Mitte dieser Woche hat uns der Winter mit gewaltigen Schneemassen richtiggehend überrollt. Wir mussten im Welpenauslauf den Schnee wegräumen, sonst wären sie einfach über den Zaun marschiert.
Wir haben sie zum erstenmal im ganzen Garten laufen lassen. Da gab es natürlich eine Menge zu entdecken, vor allem Papa Bino. Die Begeisterung war allerdings sehr einseitig, Bino findet seine Kinder einfach nur furchtbar.
Da merken wir dann, dass er doch kein ganz junger Hund mehr ist.
Die Welpen beeindruckt sein Gemaule überhaupt nicht, sie finden ihn lustig.
Lea ist schwer im Stress, wenn ihre Kinder frei laufen. Sie drängt sie immer wieder Richtung Welpenzaun und wird erst wieder ruhig, als wir den Freigang beenden.
Danach schlafen sie dann aber doch mal erschöpft ein und kuscheln sich aneinander wie eh und je.
8. Woche und Abschied
Die letzte gemeinsame Woche ist angebrochen. Sie ist vollgepackt mit Aktivitäten und die lassen nur wenig Zeit, an den bevorstehenden Abschied zu denken.
Als erstes stand der Tierarzttermin mit Impfen, Chipen und Blutentnahme an. Die Autofahrt von einer halben Stunde konnte unsere Kinder nicht mehr schrecken, wir haben schon viele Autofahrten hinter uns.
Beim Tierarzt selbst war die dreimalige Piekserei vor allem für Beppo überhaupt kein Problem. Er schäkerte mit allen, Tierarzt und Helferinnen und freute sich über jede Aufmerksamkeit. Er war der unbestrittene Liebling aller.
Aber auch die anderen waren nur wenig beeindruckt, nur ein kurzer Jammerer war hier und da zu hören.
Am 23.Februar war dann die Wurfabnahme durch die Zuchtwartin.
Große Überraschungen gab es nicht. Allerdings hat Donna gezeigt, dass sie sich vom Spätzünder im Team zum Senkrechtstarter entwickelt hat. Sie hat den Welpentest am besten absolviert und dabei gleichzeitig auf die mangelnde Qualität des verwendeten Balls hingewiesen (mit einem Biss war er platt).
Auch ansonsten war alles o.k., es wurden keine zuchtausschließenden Fehler festgestellt. Alle waren sehr kontaktfreudig und hatten mit der fremden Umgebung nur wenig Probleme.
Zwei Tage später kam dann der Abschied. Ich weiß ja, dass die momentane Harmonie unter den Welpen auf Dauer nicht halten würde, trotzdem kam ich mir wie ein Verräter vor und hatte das Gefühl, mir würde das Herz herausgerissen.
Ich bin mir aber ganz sicher, für jeden unserer Welpen den passenden Platz gefunden zu haben.
Damon, der schon seit geraumer Zeit Beppo heißt, wird in Dachau für die Zerstreuung und Beschäftigung seiner Leute sorgen. Als Ferienjob hat er außerdem noch die große Aufgabe, im Vogtland eine renovierte Mühle vor den allzu aufdringlichen Besuchen der Ureinwohner zu schützen.
Diablo wird in Zukunft Dexter genannt. Er wird in Österreich die dortigen Hovawarte (und nicht nur die) das Fürchten lehren und ihnen zeigen, was ein echter bayerischer Dickschädel ist.
Donna hat ihre neue Heimat in Landsberg gefunden und übernimmt dort bereitwillig die Qualitätskontrollen für das neugebaute Holzblockhaus ihrer beiden Menschen.
Nur für Dele hat sich die Zukunft noch nicht entschieden, bis jetzt hatte ich noch bei keinem Interessenten ein uneingeschränkt gutes Gefühl.
Sie hat sich ganz dick mit Clio angefreundet, die auch nur körperlich erwachsen ist. Die beiden spielen wie gleichaltrige Welpen und auch Lea mischt immer wieder gerne mit. Sogar Bino wurde schon beim Spiel gesehen!!
Nachtrag
Am 1.Mai ist die Frist abgelaufen, die wir uns selbst für die Abgabe von Dele gesetzt haben.
Bis dahin hat sich niemand, der ernsthaft in Frage kam, für unser Mädel interessiert. Spätestens jetzt ist es für uns unvorstellbar, sie noch ab zu geben.
Deshalb wird sie nun als unser 4. Hund bei uns bleiben, unser Leben bereichern und ganz sicher auch komplizierter machen.
Da unsere Kapazitäten damit endgültig erschöpft sind, wird dieser Wurf wohl für längere Zeit unser letzter sein ( außer, die Welpen-Nachfrage würde sich massiv verbessern ).